Kategorie: Musik (Bücher/Noten) » Musikwissenschaft

Fisher, Alexander J.

Music and Religious Identity in Counter-Reformation Augsburg, 1580-1630 (=St. Andrews Studies in Reformation History).

Ehem. Bibliotheksexemplar mit Tilgungsstempel auf dem Innentitel verso. Leicht zu entfernender Signaturschildchenrest auf d. SU-Rücken unten. Innen frisch und sauber. Zustand sehr gut. Includes 11 b&w illustrations, 2 tables and 22 music examples. By the late-sixteenth century, Augsburg was one of the largest cities of the Holy Roman Empire, boasting an active musical life involving the contributions of musicians like Jacobus de Kerle, Hans Leo Hassler, and Gregor Aichinger. This musical culture, however, unfolded against a backdrop of looming religious schism. From the mid-sixteenth century onward, Augsburg was the largest 'biconfessional' city in the Empire, housing a Protestant majority and a Catholic minority, ruled by a city government divided between the two faiths. The period 1580-1630 saw a gradual widening of the divide between these groups. The arrival of the Jesuits in the 1580s polarized the religious atmosphere and fueled the assertion of a Catholic identity, expressed in public devotional services, spectacular processions, and pilgrimages to local shrines. The Catholic music produced for these occasions both reflected and contributed to the religious divide. This book explores the relationship between music and religious identity in Augsburg during this period. How did 'Catholic' and 'Protestant' repertories diverge from one another? What was the impetus for this differentiation, and what effect did the circulation and performance of this music have on Augsburg's religious culture? These questions call for a new, cross-disciplinary approach to the music history of this era, one which moves beyond traditional accounts of the lives and works of composers, or histories of polyphonic genres. Using a wide variety of archival and musical documents, Alexander Fisher offers a holistic view of this musical landscape, examining aspects of composition, circulation, performance, and cultural meaning. Contents: Music and religious identity in a divided city; Protestant song and criminality; Musical life and Lutheranism at St Anna; The Counter-Reformation and the Catholic liturgy in Augsburg; Devotional music in Counter-Reformation Augsburg; So vil choros musicorum: music in Catholic processions; The Holy Mountain: music in Catholic pilgrimage; Music, confession, and the disaster of the Thirty Years' War; Appendix; Bibliography; Index. About the Author: Alexander J. Fisher is Assistant Professor of Music at the University of British Columbia, Canada. Reviews: '... an interesting study, with enough music quoted to give an idea of what the evangelising catholics were trying to do... ' Early Music Review. '... an engaging account that will be of interest to music and non-music historians alike, Fisher's 'case for Catholic music' restores a much needed balance to the scholarly literature on early seventeenth-century German lands.' Sixteenth Century Journal. 'This book is an outstanding specimen of the growing literature on urban religious and musical life in early modern Europe. It may not yield an entirely straightforward picture of Augsburg's history [...] but Fisher has made a significant, even indispensable, contritution towards that history.' Journal of Ecclesiastical History. "Luthers Lieder haben mehr Seelen umgebracht als seine Schriften oder Reden", schrieb der Jesuit Adam Contzen um 1620 - und empfahl als Gegenmittel die Verbreitung volkssprachlicher katholischer Gesänge. Anschaulicher lässt sich die religionspolitische Funktion der Musik im konfessionellen Zeitalter kaum belegen. Und nirgends war diese Funktion von größerer Brisanz als in der Reichsstadt Augsburg, die seit dem nach ihr benannten Friedensschluss (1555) katholisch regiert, aber mehrheitlich von Protestanten bevölkert wurde. Wie sich die daraus entstehenden konfessionellen Spannungen im Medium der geistlichen Musik artikulierten, das analysiert die Studie des Musikwissenschaftlers Alexander J. Fisher (in der der eingangs zitierte Satz Contzens auf Seite 110 nachgewiesen ist). Die Anlage des Buchs ist, entsprechend der religiösen Topografie Augsburgs, zweigeteilt. Der Einleitung folgen zwei Kapitel (etwa 60 Seiten) über die protestantische und vier (beinahe 200 Seiten) über die katholische Musikpraxis. Dieses scheinbare Missverhältnis ist historisch begründet; denn die Augsburger Lutheraner waren trotz ihres Rechts auf ungehinderte Religionsausübung latent in der Defensive. Anhand einer Reihe von Verhörprotokollen (der "Urgichtensammlung" des Augsburger Stadtarchivs) kann Fisher in Kapitel 2 zeigen, wie protestantische Lieder, die polemische, anti-katholische Zeitkritik übten, zum Gegenstand peinlicher Befragungen werden konnten. [1] Dabei wurden der Besitz und die Verbreitung von Liedern in schriftlicher Form härter bestraft als ihre bloße Darbietung: Die Autoritäten hatten ein Bewusstsein für die Gefahren des Mediums Schrift. Kapitel 3 zeigt, wie der Komponist Adam Gumpelzhaimer, Kantor an Augsburgs größter protestantischer Kirche St. Anna, sich um ein 'ökumenisches', ausgewogenes Verhältnis zwischen katholischen und protestantischen Kompositionen im liturgischen Repertoire bemühte. In seinen eigenen Kompositionen vermied es Gumpelzhaimer, Texte oder Melodien mit polemischer Konnotation zu verwenden; so vertonte er Psalm 124 nicht in der Übersetzung von Justus Jonas ("Wo Gott der Herr nicht bei uns hält"), die allzu offen auf die Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten anspielte, sondern in einer 'neutraleren' Übersetzung (76-78). Im Gegensatz dazu war die katholische Kirchenmusik in Augsburg durch immer stärkere Betonung der eigenen religiösen Identität gekennzeichnet (Kapitel 4). Insbesondere im Bereich des deutschsprachigen Kirchenlieds wurde ängstlich darauf geachtet, keine protestantischen Neuschöpfungen zuzulassen - auch und gerade nicht, wenn sie konfessionell neutral erschienen, wie Bischof Heinrich V. von Knöringen in seinem "Liber ritualis" (1613) betonte (115 f.). Ein Überblick über die prominentesten katholischen Komponisten Augsburgs bietet vereinzelte Musikbeispiele und (recht allgemein gehaltene) Analysen. Die Jahrzehnte um 1600 sind bekanntlich eine Zeit großer musikgeschichtlicher Umbrüche, die sich von Italien aus durch ganz Europa verbreiteten. Tatsächlich dürfte Gregor Aichinger als erster deutscher Komponist die neue Technik des Generalbassspiels diesseits der Alpen systematisch verwendet haben ("Cantiones ecclesiasticae", 1607). Aichinger hat diese und andere Innovationen (Vokalkonzert) jedoch nicht so sehr in seinen liturgischen Werken verwendet, sondern in 'freien' Andachtskompositionen, die weit stärker als jene zur Konstruktion einer spezifisch katholischen Identität beitrugen (Kapitel 5). Hier wurden durch Marien- und Eucharistiegesänge sowie Passionsmusik besonders symbolträchtige Themen konfessioneller Kontroversen aufgegriffen und vor allem in den Augsburger Bruderschaften gepflegt. Bei aller bewusst katholischen Themen- und Textwahl hat es jedoch, wie Fisher (224) betont, "no 'confessional music' with respect to style" gegeben; die italienischen Neuerungen wurden auch von protestantischer Seite aufgegriffen. Betrachte man Musik, so Fisher, jedoch als "cultural practice [...], one that embraces style but also the circumstances of the music's creation, the nature of its performers and listeners, then the idea of 'confessional music' becomes not only possible but necessary" (224). Die Konsequenzen dieser Auffassung werden deutlich, wenn in den Kapiteln 6 und 7 Prozessionen und Pilgerfahrten behandelt werden: Die Musik war etwa in der Fronleichnamsprozession (die seit 1604, zweifellos bewusst, durch protestantische Stadtteile geführt wurde) nur Teil eines "multimedia spectacle" (226); und aus ihrem Zusammenwirken mit (getragenen) Bildern und Fackeln, der theatralischen Zurschaustellung von blutigen Selbstgeißelungen und so weiter entstand die spektakuläre Außenwirkung, die nachweislich auch Protestanten anlockte und faszinierte. Die Litanei von Loreto, die Johann Haym von der Brüderschaft der Pilgerfahrt zum nahe gelegenen Andechs 1582 drucken ließ, mag musikalisch in ihrem rhythmisch einfachen, homophonen Stil nicht besonders interessant sein - aber gerade dieser Stil war der Bewegung des feierlichen Schreitens angemessen wie kein anderer (259-261). An einer Vielzahl von Beobachtungen kann Fisher zeigen, wie sich die konfessionellen Spannungen im Fortschreiten des 16. Jahrhunderts immer mehr verschärften und die auf Ausgleich und Aufrechterhaltung der Ordnung bedachte Politik des katholischen Magistrats allmählich ins Wanken geriet - etwa in der zunehmenden Spezialisierung katholischer und protestantischer Drucker auf 'ihre' Musik. Das kaiserliche Restitutionsedikt von 1629 zerstörte das labile interkonfessionelle Gleichgewicht endgültig; den Konsequenzen ist das letzte Kapitel gewidmet. Städtische Spione zogen nachts lauschend durch die Straßen, um jede für die Sache des Protestantismus erhobene Stimme in Gesang, Lesung oder Predigt ausfindig zu machen (282-285). 1632 wurde die Stadt in den Dreißigjährigen Krieg hineingezogen, von dessen ruinösen Folgen sich auch ihr Musikleben nicht mehr erholen sollte. Es mutet wie eine Ironie der Geschichte an, dass sowohl Gustav Adolfs Einzug 1632 als auch die Wiederkehr des katholischen Klerus 1635 mit einem Te Deum gefeiert wurden, jenem altehrwürdigen politischen Festgesang [2], den beide Konfessionen für sich in Anspruch nahmen. In der Fülle ihrer Belege und der Ausgewogenheit und Übersicht der Darstellung ist Fishers Studie eine lohnenswerte Lektüre nicht nur für Musikwissenschaftler, sondern für alle an der Kulturgeschichte des konfessionellen Zeitalters Interessierten. Sein Ansatz, Musik als kulturelle Praxis zu begreifen, und die Einbeziehung ungewöhnlicher Quellen wie der "Urgichtensammlung" oder theologischer Schriften führt Fisher weit über die ältere Institutionengeschichtsschreibung der musikalischen Stadtforschung hinaus. Leider bietet die Arbeit viele Quellenzitate nur in englischer Übersetzung (lediglich die Verhörprotokolle des 2. Kapitels werden in einem Anhang dokumentiert); trotz der durchaus sinngetreuen Übersetzungen wären doch ausführlichere Originalzitate wünschenswert gewesen. Sehepunkte (http://www.sehepunkte.de/2004/11/5307.html).

Ashgate, 2004, Pappe, 9780754638759, XV, 344 Seiten, Englisch



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